Überraschend sarkastischer Klassiker
In meiner Schulzeit haben wir uns im Deutschunterricht mit nichts beschäftigt, auf dem nicht Goethe oder Schiller stand, trotzdem hatte ich natürlich schon das eine oder andere über Brave New World gehört und wusste, worum es geht: Überrascht hat mich dennoch der wunderbar zynische Ton des Buchs, das eine albtraumhafte, ins Extreme verzerrte Zukunft entwirft. Denn in dieser Zukunft leben nur gezüchtete, herankonditionierte und perfekt manipulierte Menschen, die alles miteinander teilen, niemals krank sind, immer jung und schlank bleiben und brav kosumieren. Dies ist das Bild einer Gesellschaft, wie sie sein könnte, würden alle Bestrebungen um Konsum, Jugendwahn und Konfliktlosigkeit bis an ihr Ende verfolgt werden.
Natürlich gibt es einen, der sich nicht so recht einfügen mag ins Kollektiv, Bernard Marx, ausgebrütet als Alpha-Plus, passt nicht ins Schema. Er findet kein Vergnügen an der Droge Soma und auch nicht am Jeder-mit-jedem-Sexleben, er hat Sehnsucht nach Gefühlen, er will etwas spüren. Mit Lenina Crowne, einem braven Beta-Mädchen, angepasst und glücklich, reist er in ein Reservat, in dem noch echte Menschen leben, die – oh my Ford – Eltern haben, eine Mutter, einen Vater, echte Wilde, die an einen Gott glauben und heiraten. Dort lernen sie den jungen John kennen, der im Reservat aufgewachsen ist und noch eher dem gleicht, was wir unter einem Menschen verstehen. Er ist das Gegenstück zur sogenannten Zivilisation – und als er die schöne neue Welt betritt, nimmt das Drama, wie könnte es anders sein, seinen Lauf.
Es ist wohl gleichgültig, zu welcher Zeit man Brave New World liest – man findet stets genügend erschreckende Parallelen zur momentanen Gesellschaft. Aber Huxley drückt dem Leser nicht einfach nur moralisch-ethische Ansichten aufs Aug, er erzählt auch eine Geschichte und präsentiert eine rasante Handlung. Natürlich regt dieses Buch zum Nachdenken an, geschickt stellt Huxley die beiden Positionen “unglücklich, aber frei” und “konditioniert, aber sorglos” einander gegenüber. Was wollen wir? Ein Leben, das wir getreu nach Richtlinien, Medien und Konsumgedanken leben in einer künstlichen Welt ohne Bücher und ohne Blumen? Oder die Einsamkeit der Willensfreiheit, der Fehlentscheidungen, in einer Welt voller Gefühle, Farben und echter Erlebnisse? Brave New World ist völlig zu Recht ein Klassiker, den man gelesen haben sollte.
thessa schrieb am 3. Juli 2009 @ 10:23
Ich hatte das Glück, dass uns dieses Buch ein guter Englischlehrer auf dem Silbertablett serviert hat.
Sicher der Sorte der Klassiker zugehörig, die man gelesen haben sollte.
cesar schrieb am 6. Juli 2009 @ 8:16
meine Deutschlehrerin hat’s mir fast versaut (wie fast jedes Buch). ich hab es Jahre später wieder gelesen. zum Glück
Ui, ja, das Buch gehört zu der Sorte Verschlingen. Wie übrigens auch das allseits bekannte 1984, toll!