Ein alter Mann, eine junge Frau und eine Freundschaft
Die Frage, ob Männer und Frauen befreundet sein können, ist uralt und tausendfach gestellt worden. Auch in Hans Werner Kettenbachs Roman Sterbetage spielt sie eine Rolle. Interessant dabei: Der Mann ist mit knapp 60 schon älter, die Frau dagegen jung, Anfang 20. Sie treffen zufällig aufeinander: Heinz Kamp ist ein arbeitsloser Buchhalter, der nachts nicht schlafen kann und spazieren geht. Studentin Claudia läuft ihm über den Weg. Weil keine Straßenbahn mehr fährt und das Mädchen friert, nimmt er es mit nach hause. Was er sich damit angefangen hat, ist ihm selbst nicht so ganz klar: Einerseits geht ihm die zickige Claudia auf die Nerven, andererseits würde er sich in seiner Einsamkeit mit jeglicher Gesellschaft zufrieden geben, auch mit ihrer. Aber es ist natürlich alles nicht so einfach: Zwar spielt Sex kaum eine Rolle zwischen den beiden, sie haben sich vielmehr „ganz doll lieb“. Claudia hat aber jede Menge Schwierigkeiten am Hals, in die Kamp sich ein wenig verstrickt und die undefiniert bleiben. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt, ist ungezwungen und verrückt, sie hat kein Zuhause und übernachtet bei Kamp, wenn es ihr gerade in den Kram passt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die ungewöhnlich und eigenwillig ist.
Bei Sterbetage handelt es sich um eine harmlose kleine Erzählung ohne rechten Höhepunkt oder großen Konflikt. Obwohl zwei einsame Menschen aufeinandertreffen, ist dies keine Liebesgeschichte im eigentlichen Sinn. Die Handlung läuft schnurgerade dahin und bietet keine Stolpersteine, aber auch keine interessanten Einsichten. Einzig überraschend ist das originelle Ende, das alles auf angenehme Weise auf den Kopf stellt. Ein Buch, das man lesen kann, aber nicht muss.