„Ein Mann mag weit reisen, aber sein Herz hält nicht Schritt“
Lev ist 43 Jahre alt und Witwer. Seine Frau Marina ist mit nur 36 Jahren gestorben. Im Sägewerk von Baryn in der Ukraine gibt es keine Arbeit mehr für ihn – alle Bäume wurden abgeholzt. Um seine Mutter Ina und seine fünfjährige Tochter Maya versorgen zu können, bricht er auf nach London. Auf der Reise lernt er Lydia kennen, die in England als Übersetzerin arbeiten will und ihm hilft, dort Fuß zu fassen. In der Fremde Londons ist Lev so einsam, dass ihm alles wehtut. Aber er hat Glück, er findet einen Job als Tellerwäscher und ein Zimmer bei Klempner Christy, der wegen seiner Alkoholsucht seine Frau und seine Tochter Frankie verloren hat. Ständig denkt Lev an seinen besten Freund Rudi, einen Draufgänger und Witzbold, der dem Leben so viel abringt wie möglich. Lev arbeitet wie verrückt, um Geld nach hause schicken zu können. Und er findet eine neue Liebe … Doch damit ist noch lange nicht alles zu Ende: Denn es kommt in der Arbeit und in der Liebe anders als erwartet. Und als ihn aus Baryn schlechte Nachrichten erreichen, muss Lev sich etwas einfallen lassen, um Rudi, Maya, seiner Mutter und sich selbst eine Zukunft bieten zu können.
Der weite Weg nach hause ist die Geschichte eines „Ausländers“, der sich in einem fremden Land ausbeuten lassen muss, damit seine Familie eine Chance hat, der geschlagen und verachtet wird und dem sein Zuhause fehlt. Er ist ganz unten, er ist in der Gesellschaft nichts wert. In London begegnen Lev aber auch hilfsbereite Menschen, die in ihm keinen „Asylantenabschaum“ sehen und ihn unterstützen. Lev ist ein sanfter, geduldiger Mann, der aber – was sehr sympathisch und menschlich ist – auch nicht alles richtig macht und sich aus Verzweiflung und Wut zu schockierenden Handlungen hinreißen lässt. Die Autorin hat mit ihm einen authentischen Protagonisten geschaffen, dem ich glaube, was er erlebt und fühlt. Die Erzählung plätschert angenehm dahin – und nimmt jedes Mal, wenn ich denke, ich könnte die nächsten Ereignisse vorhersehen, eine überraschende Wendung. Die Protagonisten tun immer etwas, womit ich nicht gerechnet habe. Und das mag ich. Ebenso mag ich, wie Rose Tremain mit einfachen, klaren Worten diese Geschichte erzählt, die das Leben abbildet, das viele Menschen in der Fremde führen. Noch mehr mag ich das Ende, an dem sich alles gut, aber unkitschig zusammenfügt und das mich zufrieden zurücklässt. Der weite Weg nach hause ist ein schönes, melancholisches, stimmiges Buch, an dem ich ganz einfach nichts auszusetzen habe.
Ich bin fertig und fand es grossartig! Ein Hoch auf Dich, Deinen Blog und den Grabbeltisch.
Ich fand dieses Buch hervorragend, eine wahre Geschichte, die mich tiefst getroffen hat. Und die Übersetzung ins Deutsche war toll!