Und dann das Warten auf den Tod
Helmer ist übrig geblieben, er ist die Hälfte eines Zwillingsbrüderpaars. Seit 1967 lebt er ohne sein Ebenbild Henk auf dem elterlichen Hof in der Einöde Hollands. Hier gibt es nichts außer Kühen, Schafen und zwei Eseln. Die Mutter ist vor langer Zeit schon gestorben, und dann verspürt Helmer plötzlich den Drang aufzuräumen. Er verfrachtet den kranken Vater ins Obergeschoß, schiebt ihn ab, am liebsten würde er sich seiner komplett entledigen. Er wartet darauf, dass der Vater stirbt. Doch seine Einsamkeit wird verdrängt, als der junge Henk zum Arbeiten zu ihm auf den Hof geschickt wird. Er ist der Sohn von Riet – der damaligen Freundin von Helmers Bruder …
Oben ist es still ist ein böser, sarkastischer, sehr lebenskluger und unheimlich bedrückender Roman. Hier traut sich einer, nach jenen Gedanken zu handeln, für die andere sich schämen: Er wünscht dem Vater den Tod, er missachtet seine Bedürfnisse, lässt ihn leiden. Das hat natürlich seine Gründe, die der Leser nach und nach erfährt. Es ist ein karges, herbes Leben, das Helmer führt, eines, das er nie geliebt hat. Als der 18-jährige Henk eintrifft, kommt Schwung in die Geschichte – und es entsteht die Möglichkeit, vieles aufzuarbeiten. Ruhig und bedächtig gräbt sich Gerbrand Bakker durch die vielen Schichten dieser Schicksale, die auf den ersten Blick so langweilig wirken und bei genauerem Hinsehen doch so tragisch sind.
„Ich mache schon so lange alles mit halber Kraft“, sagt Helmer, „ich habe schon so lange nur noch einen halben Leib.“ In einem sehr klaren, skrupellosen Stil erzählt Gerbrand Bakker von einem Mann, der bereits in jungen Jahren seine Zukunft verloren hat, der sich kaum noch erinnern kann, wie es war, „ganz“ zu sein. Das ist deprimierend – aber hervorragend geschrieben. Ein feinsinniger, kluger Roman, der besonders mit einem ausgezeichneten Ende besticht. Lesenswert!
Schön, dass es dir gefallen hat. Ich fand das Buch total gut. Es gehört zu denen, die mir auf englisch aufgedrängt wurden, dafür bin ich meistens zu faul, das dafür aber umso schneller gefressen wurde. Wirklich gut