Die Zeit vergeht, das Leben wartet nicht
Emma und Dexter kennen sich aus der Schule – als diese 1989 zu Ende geht, verbringen sie eine Nacht zusammen. Sie sind jung und planlos, sie wollen in ihr Leben starten und sehen, was es bringt. Obwohl sie weder gute Freunde noch ein Liebespaar sind, bleiben sie über die Jahre in Kontakt, sie schreiben einander Briefe und können sich nie ganz loslassen. Jedes Jahr am 15. Juli gibt ein neues Kapitel Einsicht in die Entwicklung von Emma und Dexter: Emma weiß nicht so recht, was aus ihr werden soll, und jobbt erst mal in einem heruntergekommenen Restaurant, Dexter beschäftigt sich mit Fotografie und rutscht langsam in die Welt des Fernsehens. Ab und zu sehen sich die beiden, sie fahren sogar gemeinsam auf Urlaub – doch näher im erotischen Sinn kommen sie einander nicht. Dexter ist ein Frauenheld, Emma führt eine lange Beziehung mit einem Mann, den sie eigentlich nicht liebt. Ihre beruflichen Ziele verändern sich, sie verlieben sich und werden erwachsen, sie verlieren einander aus den Augen und finden zueinander zurück – und regelmäßig am 15. Juli erhascht der Leser einen Blick auf das, was sich verändert hat.
Die Geschichte so zu erzählen, wie David Nicholls es tut, ist unbestreitbar originell. Dass man nur einmal im Jahr Zugang zu den Protagonisten bekommt, sorgt für Spannung. Gleichzeitig muss man aber auch immer aufholen, was das ganze Jahr über geschehen ist, wodurch sich manche unschöne Doppelung ergibt. Von Presse und Kritikern gehypet und als „moderner Klassiker“ gefeiert, ist One Day eine Geschichte über das, was jeder von uns kennt und fürchtet: verpasste Chancen. Das typische „Was wäre wenn“ schwingt immer mit und löst ein merkwürdiges Gefühl der Unruhe aus. Es dauert seine Zeit, bis sich alles fügt und natürlich ist – so blind kann niemand sein – das Ende auf gewisse Weise vorhersehbar. Wenn auch anders, als man sich das zuerst denkt: Um dem Kitsch auszuweichen, hat Nicholls den einzig möglichen und sehr radikalen Weg gewählt, was mir nicht unbedingt zusagt. Denn, lieber Autor, wenn schon eine Liebesgeschichte, dann muss man es auch beinhart durchziehen.
Am besten an One Day finde ich die Idee. Der Roman ist angenehm zu lesen, voll schlagfertiger Dialoge, streckenweise ein wenig zäh, aber grundsätzlich sehr flüssig. Herausragend ist er nicht, ebensowenig besonders aufwühlend oder beeindruckend. Und die Moral von der Geschicht: Aufmerksam durchs Leben gehen. Die Möglichkeiten nutzen, die sich bieten. Niemals warten, bis es zu spät ist.
da ist das buch ja doch nicht ganz so schlecht weggekommen 😉