Wenn die Liebe hereinbricht wie eine Urgewalt
„Er sah sie ganz erschrocken an, und sie erschrak auch.“ Als Thomas und Senta sich treffen, wirft es beide aus der Bahn. Es ist ein heißer Sommer: „In der Hitze lösten sich die Konturen auf, da hatten die Körper keine Grenzen mehr. Haut und Luft bestanden aus demselben Stoff, sie rieselten ineinander …“. Plötzlich stehen die beiden einander gegenüber, und es ist ein so normaler Abend, dass sie nicht damit rechnen konnten, dass das Schicksal zuschlagen würde. Dass die Liebe sich nie ankündigt, das ist ihnen wohl bewusst, sind sie doch beide schon über vierzig. Aber eine solche Liebesgewalt haben sie nicht erwartet. Sie saugen sich aneinander fest, können sich nicht mehr trennen. Und müssen einander doch erst kennenlernen: Da tun sich Missverständnisse auf, Erwartungen werden enttäuscht, der Verstand mischt sich ein. Senta ist hysterisch und heult viel, Thomas zeigt sich manchmal unsensibel. Da krachen sie also zusammen, zwei Persönlichkeiten, die einander völlig fremd sind – und doch plötzlich zusammengehören.
Treffen sich zwei ist genau das, was der Titel sagt: ein Buch über eine Begegnung. Es ist mutig von Iris Hanika, einen Roman zu schreiben über die Liebe – über das Banalste und gleichzeitig Außergewöhnlichste, das zwei Menschen passieren kann. Sie tut das auf eigenwillige Weise, mit einem inszenierten, überzogenen Stil, der wild durcheinandermischt, was des Weges kommt: Zitate, Liedfetzen, pseudotherapeutische Einsichten. Teilweise wechselt die Perspektive, wechselt der Stil mitten im Satz. Und ich muss sagen: Das hat was. Es ist originell, es hat Pfeffer, es bewirkt, dass dieses jahrtausendealte Thema nicht langweilig und abgelutscht, sondern neu und amüsant verpackt ist. Hier sagt einmal jemand, wie es wirklich ist: dass der Traummann Makel hat, dass man weinen muss aus Schock über die Liebe, dass man erst einmal überhaupt nicht zueinander findet und Kommunikation fast unmöglich ist. Das ist authentisch, amüsant und lesenswert. Mit so schaurig ehrlichen Beschreibungen wie „Seine Hände hatte er zu beiden Seiten auf das Mäuerchen gestützt. Das wirkte recht unelegant. Und weil er den Kopf zur Seite wandte, konnte sie sehen, daß er überhaupt keinen Hinterkopf hatte“ bringt sie den Leser dazu, hämisch zu lächeln. Weil wir eben nicht alle schön sind und perfekt. Weil wir den anderen manchmal komisch und dumm finden, auch wenn wir verliebt sind. Iris Hanika traut sich, ihre Protagonisten zu verarschen, sie in eine Situation zu schmeißen, in der sie hilflos herumstrampeln, und sie dann hemmungslos zu karikieren. Gewürzt mit einer Prise Kitsch ist das eine gelungene Abbildung der Wirklichkeit. Treffen sich zwei ist ein Roman über Angst und Sehnsucht, über Unverständnis und über die Liebe. Die da kommt und uns erschreckt. Einfach so.
Das klingt ja recht interessant, ich werde den Titel mal auf meine Leseliste setzen.