Robert Seethaler: Die weiteren Aussichten

Ein rasanter Roadtrip mit Schmunzelpotenzial
Herbert Szevko führt ein Leben, das einem Albtraum gleicht: Gemeinsam mit seiner alten Mutter sitzt er jeden Tag in einer heruntergekommenen Tankstelle in einem winzigen Dorf und wartet darauf, dass etwas passiert. Sein Zimmer teilt er sich mit Goldfisch Georg. Außer Herberts epileptischen Anfällen geschieht aber nichts. Gar nichts. Bis am Horizont plötzlich ein klapperndes Fahrrad auftaucht mit einer dicken jungen Frau in einer kurzen engen Hose. Das ist Hilde Matsovsky. Sie lächelt Herbert an. Und Herbert haut es um. Da bleibt ihm eigentlich nichts anderes übrig, als Hilde zu sich zu holen. Beim Schlachtsaufest tanzt er mit ihr und das Glück rinnt ihm oben in den Kragen hinein. Darauf hat Herbert 27 Jahre gewartet. Mit der Liebe hat er keine Übung, und deswegen ist das Zusammensein mit Hilde gar nicht so einfach. Außerdem geraten Herbert, Hilde und die Mutter plötzlich in einen Strudel aus Ereignissen, der sie aus dem Dorf hinaus und in einen riesigen Schlamassel hinein treibt. Und was ihnen dann alles passiert, ist eigentlich unglaublich – und führt beim Lesen garantiert zu Lachfalten.

Die weiteren Aussichten ist ein verblüffend amüsantes Buch über das Leben und das Schicksal, das „… wenn du am allerwenigsten damit rechnest oder wenn du sogar mit überhaupt nichts mehr rechnest, genau dann (…) vor dir steht, dir vor die Füße spuckt und breit lachend zuschaut, wie es dich zerlegt“. Es kommt alles mit einer solchen Regelmäßigkeit anders als gedacht, dass ich bei jeder Wendung angenehm überrascht bin. Und auch wenn die Handlung manchmal abstrus ist, wirkt sie doch immer authentisch durch den ironischen Sprachwitz und die „Matter of fact“-Formulierungen. Von Anfang an kommt mir der Humor sehr österreichisch vor und ich überlege, ob Robert Seethaler Österreicher ist: Mit dem Wort „ungustiös“ hat er sich dann eindeutig verraten. Die Geschichte dieses Buchs ist völlig verrückt. Und genau das finde ich wunderbar erholsam: Ich amüsiere mich. Und habe zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit wieder Spaß am Lesen.

Die weiteren Aussichten ist originell, wahnwitzig, völlig überdreht, sehr schrullig und auch ein bisschen traurig. Sogar mit dem fulminanten Ende gelingt dem Autor noch einmal ein unerwarteter Überraschungsschlag. Ich mag es, wie er Herbert und Hilde hilflos durch ihre Verliebtheit strampeln lässt, wie er sie durch Missverständnisse entzweit und ihnen das Lieben nicht leicht macht, wie er die lästernden, einfältigen Dorfbewohner schildert und eine gewisse Heiterkeit aufrechterhält, wenn es längst Zeit für Verzweiflung wäre. Aber das Unglück ist eben manchmal komisch. Und das Glück sowieso. Slapstick zum Lesen!

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