Eine sardische Familie und das Leben
Der Vater ist Missionar, der seine Frau zum Lachen bringt und oft wochenlang fort ist, die Mutter hat Angst vor allem, „nicht nur vor gelben Wäscheklammern, sondern vor der ganzen Welt“. Der Sohn vergräbt sich in seinem Zimmer, um Klavier zu spielen, die Tante hat zu viele Affären und zu wenig Liebe. Die Tochter steckt in einer sadomasochistischen Sex-Beziehung mit einem verheirateten Mann und wundert sich über ihre Familie und das Leben. Wohin es führen soll, das weiß niemand, und zumindest eine in der Familie will es auch gar nicht herausfinden. So legt sich eine staubige Traurigkeit auf dieses Haus, Gewalt und Gefahr bedrohen die Familie – aber ein winziges Stückchen Glück findet sie dann doch.
Ich mag Milena Agus. Sie schreibt in klaren, schnörkellosen Sätzen, die lächeln lassen und traurig machen. Während ich von Die Frau im Mond begeistert war und Die Flügel meines Vaters es mir sehr angetan hat, fällt Solange der Haifisch schläft in eine etwas andere Kategorie. Auch im Erstlingswerk der Autorin steht eine sardische Familie mit einer weiblichen Ich-Erzählerin im Mittelpunkt. Der Ton ist jedoch schärfer und zynischer als in den folgenden Büchern. Die Figuren sind nicht so liebenswert, wie ich es von Milena Agus gewohnt bin, die Geschichte ist um einiges trostloser und „schmutziger“. Nichtsdestotrotz ist sie wunderbar geschrieben. Es liegt dieser italienischen Autorin, Menschen in ihren ungewöhnlichen Eigenheiten zu skizzieren und sie hineinzuwerfen in ein Leben, mit dem sie wenig anfangen können. Zudem bringen mich die ironischen Einwürfe zum typisch italienischen bzw. sardischen Dasein immer wieder zum Schmunzeln. Solange der Haifisch schläft ist ein komplexes kleines Buch über eigenwillige Charaktere, die als Familie zusammengewürfelt werden und von denen jeder auf seine Art nach etwas sucht, das ihn glücklich macht. Das gelingt mal mehr, mal weniger – und ist schön zu lesen.