Der Lebensweg eines Franzosen
Es ist eine grausame und tragische Geschichte, die der sechzehnjährige Paul erzählt bekommt: Einst, kurz nach dem Krieg, ging ein Vater mit seinen zwei kleinen Kindern in den Wald und erwürgte sie. Dieser Wald befindet sich in Deutschland, in Kehlstein, wo der Franzose Paul den Sommer des Jahres 1963 bei seinem Brieffreund Thomas verbringt. Er ist fast genauso alt wie der Frieden – und die Deutschen haben die Kriegsgeschehnisse noch lange nicht verwunden. Niemand spricht über das, was im Wald geschah, nur die junge und faszinierende Außenseiterin Clara weiht Paul ein. Ihr verfällt er, von ihr kommt er Zeit seines Lebens nicht richtig los. Und auch später, als er Karriere macht und eine Familie gründet, begegnet ihm Clara immer wieder – und die Geschichte von damals verfolgt ihn …
Ich mag keine Rufzeichen. Als Werbetexterin sind sie ohnehin meine erklärten Feinde, und in der Literatur haben sie meiner Meinung nach wenig bis gar nichts verloren. Vielleicht noch in der direkten Rede, wenn jemand schreit, aber nicht im Fließtext. Formulierungen wie „Ein irgendwie künstlerisch veranlagter Typ, versponnen und leicht abgehoben, ein echter Franzose eben!“ stoßen daher bei mir auf Ablehnung. Das ist mir zu viel Pathos, zu viel geschwollene Brust, zu viel erhobener Zeigefinger. Aber nicht nur sprachlich gesehen ist Schlaf nun selig und süß anstrengend, auch der Inhalt hat es in sich: Zwei Männer waren im Krieg, sie haben Juden sterben sehen, sie sind nicht mehr dieselben. Einer der beiden bringt später seine Kinder um. Was genau ihn dazu bewogen hat, muss man sich als Leser mühsam zusammenreimen. Denn eigentlich geht es dann in der Folge viel mehr um Protagonist Paul, der kapitelweise und mit sehr großen Zeitsprüngen dazwischen alt wird. Wer also das ganze Buch über auf die Auflösung des Geheimnisses wartet, wird enttäuscht.
Mit Die kleine Kartäuserin hat Pierre Péju mich begeistert. Und ich hätte es dabei belassen sollen … Denn Schlaf nun selig und süß kann diesem wunderbaren Roman nicht das Wasser reichen. Die Geschichte ist flach und uninteressant, die Charaktere fast schon eigenschaftslos. Und dann der Krieg, der als „Entschuldigung“ eingebracht wird, als allseits bekanntes und oft verwendetes Motiv, um Unmenschliches zu rechtfertigen – das ist mir einfach zu banal. Ignorieren.