Ach, wie schön die Vorstadt ist!
Sarah und Todd leben ein amerikanisches Klischee: Beide sind verheiratet – allerdings nicht miteinander – und haben ein dreijähriges Kind, beide sind mehr oder weniger unglücklich, fühlen sich gefangen und sehnen sich nach ein wenig Abwechslung in ihrem spießig-eintönigen Dasein. Todd steht kurz davor, zum dritten Mal zur Anwaltsprüfung anzutreten und erneut zu scheitern, Sarah war als Studentin Feministin und kämpft nun mit den Herausforderungen eines Tages auf dem Spielplatz. Kein Wunder also, dass sie eine Affäre miteinander beginnen, als sich ihnen die Gelegenheit dazu bietet. Es ist ein heißer Sommer, und unter den Moralaposteln der Vorstadt brodelt es: Ein verurteilter Kinderschänder ist in die Gegend gezogen, und die Nachbarschaftswache schreckt vor nichts zurück, um ihn zu vertreiben …
Little Children ist ein sehr filmisches Buch: Einerseits erinnert es inhaltlich stark an typische amerikanische Serien wie „Desperate Housewives“, die in amerikanischen Vorstädten mit identischen Häusern und sauberen Straßen spielen, andererseits ist es sehr bildlich geschrieben und wie ein Film strukturiert, den man beim Lesen automatisch vor Augen hat. Vielleicht entsteht dieser Eindruck bei mir aber auch, weil ich weiß, dass der Roman 2006 mit Kate Winslet verfilmt wurde, ohne dass ich diesen Film jedoch gesehen hätte. In jedem Fall stellt Tom Perrotta auf der zynische und überspitzte Weise das amerikanische Vorstadtleben dar, das nach außen hin glänzt und innen fault. Hinter verschlossenen Türen spielen sich die eigentlichen Dramen ab, und mit der vorgespielten Moral ist es dann nicht weit her. Ehebruch und Lieblosigkeit, Selbstjustiz und Intoleranz: In Little Children tut sich ein wahres Wespennest auf. Die Perspektive wechselt zwischen Sarah und Todd, auch Sarahs Mann und der Ex-Polizist Larry, der dem Pädophilen das Leben zur Hölle macht, kommen zu Wort. Für mich als Europäerin ist vieles, das in diesem Roman eine Rolle spielt, befremdlich, vor allem die rigide Einstellung der zugeknöpften Hausfrauen. Umso interessanter ist dieses Buch, das mit einigen schönen Spitzen aufwartet und generell das Prädikat „okay“ verdient.