„Manche Tage sind wie manche Menschen. Man kann sie nur schwer vergessen“
Nach endlosen Diskussionen hat sich die Jury endlich auf einen Entwurf für die Gedenkstätte an der Stelle des World Trade Centers geeinigt: Ein symbolträchtiger Garten soll dort in Zukunft an die Anschläge vom 11. September 2001 erinnern. Doch als der anonyme Umschlag mit dem Namen des Architekten geöffnet wird, sind alle schockiert. Es ist ein Moslem. Was sollen sie nun machen? Während die Jurymitglieder noch vor Ratlosigkeit gelähmt sind, dringt die Nachricht bereits nach draußen und löst einen Sturm der Erregung aus. Die Presse überschlägt sich, die Angehörigen der Opfer gehen auf die Barrikaden, die Situation gerät völlig außer Kontrolle. Auch der Architekt bekommt vor der eigentlichen Bekanntmachung Wind davon und gerät ins Kreuzfeuer: Mohammed Khan ist Amerikaner und nicht religiös. Doch das nützt ihm mitten in der losbrechenden Hetze wenig. Die reiche und schöne Claire, die im WTC ihren Mann verloren hat und als Stellvertreterin der Angehörigen in der Jury saß, sieht sich ebenfalls Anfeindungen und offenem Hass ausgesetzt. Ist Amerika ein Land der Toleranz, in dem jeder einen offenen Wettbewerb gewinnen kann, unabhängig von seiner Nationalität und Religion? Wäre ein muslimischer Architekt ein Sieg über den Terror oder doch eine Genugtuung für die Attentäter und ein Schlag ins Gesicht für alle, die jemanden verloren haben? Darüber denkt jeder anders.
Das Beste an Der amerikanische Architekt von Amy Waldman ist die Idee hinter der Geschichte: Die Ausgangslage fand ich derart originell, dass ich das Buch schon lange auf der Wunschliste hatte. Was wäre denn wirklich, wenn man in eine derart konfliktreiche Situation gelangen würde? Das klang in der Theorie überaus spannend. In der Praxis ist es das jedoch nur bedingt. Zwar hat die amerikanische Autorin, die als Journalistin für die New York Times in Südasien war, das vermeintlich Beste aus ihrer Idee an sich gemacht: Sie lässt einen Tornado der Empörung losbrechen, bringt eine skrupellose kleine Reporterin ins Spiel, zeigt die berechnende Vorgehensweise jeder einzelnen gegnerischen Gruppe, beleuchtet die Gefühle der Witwe Claire und gibt auch dem Architekten Mo eine eigene Perspektive. Bloß führt das alles nirgendwo hin. Auf über 500 Seiten schafft sie es nicht, aus ihrem Ausgangsszenario eine gute Geschichte zu weben, sie tritt die ganze Zeit auf der Stelle. Keine der Parteien ist zu einem Kompromiss bereit, nein, ein Kompromiss ist in dieser Lage gar nicht möglich. Seiten über Seiten gehen alle einen Schritt vor und einen zurück.
Die Protagonisten sind extrem unsympathisch und treten auf wie blasse Pappfiguren. Claire als traurige Hinterbliebene fühlt ganz klischeehaft alles, was man an ihrer Stelle eben so fühlen muss. Architekt Mohammed ist ein extrem undurchsichtiger Charakter, dessen Verhalten nicht im Geringsten nachvollziehbar ist und der alles nur noch schlimmer und schlimmer macht, sich dabei selbst unendlich leidtut und mir schlichtweg wahnsinnig auf die Nerven geht. Die platten Dialoge sind fad und öd, das ganze zündende Pulver der Konfliktsituation verpufft irgendwann ungenutzt. Diese meine Meinung ist freilich subjektiv, denn es wurde über Der amerikanische Architekt allerlei Gutes geschrieben: bei Literaturen, Standard, Spiegel und FAZ. Ich konnte jedenfalls nichts damit anfangen, gar nichts, nicht einmal ein bisschen was. Ich hab mich gelangweilt, gewundert und geärgert. Ein selten schlechtes Buch.
Der amerikanische Architekt von Amy Waldman ist erschienen bei Schöffling & Co. (ISBN 978-3-89561-491-0, 512 Seiten, 24,95 Euro).