Ein lebendiger, einfühlsamer und glaubwürdiger Roman
Zu Beginn schafft William Kowalski eine Ausnahmesituation, wie eine gute Geschichte sie braucht: William Amos Mann wird als Säugling in einem Korb vor die Haustür seines Großvaters gelegt, seine Mutter hat ihn auf einem Zettel als „Eddies Bastard“ bezeichnet. Eddie ist kurz davor in Vietnam gefallen. Der Großvater erkennt in dem Baby auf den ersten Blick als seinen Enkel und nimmt ihn auf in das alte, leere Haus, in dem es außer vielen Gespenstern und noch mehr Geschichten nichts mehr gibt. Die Manns waren einst eine Dynastie von einer gewissen Größe – nicht umsonst heißt der Ort Mannsville -, doch Schicksalsschläge und Fehlinvestitionen haben ihren Untergang herbeigeführt. So gut er kann, zieht der alkoholkranke Großvater Billy groß – mit reichlich Mortadella und vielen Erzählungen. „Mein Leben war von Anfang bis Ende aus Geschichten gemacht“, sagt Billy später. Aber was wäre das für eine Story ohne ein Mädchen? In diesem Fall heißt sie Annie und Billy nimmt sich vor, sie von ihrem tyrannischen Vater zu befreien …
Eddies Bastard ist ein Buch, bei dem das Lesen Spaß macht. Es lässt schmunzeln, es überrascht, es macht nachdenklich und zufrieden. William Kowalski hat seine Figuren sehr liebevoll gezeichnet – den kauzigen, aber bemühten Großvater und den verlorenen, aber mutigen Billy – und lässt sie nie ganz im Stich, auch wenn ihnen etwas Negatives widerfährt. Auf dem Klappentext wird behauptet, Kowalski werde als Nachfolger von Irving gefeiert – und auch wenn ich nicht der Meinung bin, dass es einen zweiten Irving braucht bzw. geben kann, lassen sich einige wenige Parallelen wie die Neigung zum Sex mit älteren Frauen und die absurden Elemente. Eddies Bastard ist ein Roman voller Lebensweisheit und unerklärlichen, aber logischen Ereignissen. Jedes Mal, wenn man denkt, man wüsste, was passieren wird, geschieht etwas völlig anderes. Dabei wartet der Autor durchaus mit sprachlicher Finesse auf und unterhält sogar einen anspruchsvollen Leser wie mich. Ein besonderer Pluspunkt: Im Gegensatz zu 98 % aller Bücher, in denen ein Kind nach und nach erwachsen wird, verliert Eddies Bastard auch zum Ende hin kaum etwas von seinem Zauber. Nach der Lektüre musste ich feststellen, dass ich sie richtig vermisste, Großvater und Billy.
Lieblingszitat: Vom Zusehen lernte ich, dass man betete, indem man den Kopf senkte und verlegen tat.